Noch hält das Wetter – etwas diesig zwar, aber immerhin sonnig zeigte sich der Himmel am Morgen.
Als wir gegen 10:00 aufbrachen, hatte sich die Lage sogar noch verbessert, es war sehr warm geworden.
Ein herzlicher Abschied von Melvyn, unserem Gastgeber, dann rollten wir unseren Koffer bergab – noch mal den steilen Hang hoch fahren und dann rückwärts wieder runter wollte Dieter lieber nicht riskieren.
Zunächst ging es Richtung Dartmoor. Die Strecke durchs Moor hatten wir ausgesucht, denn das Moor mit seinen Ponys und Schafen hat einen ganz eigenen Reiz, auch wenn man auf den Straßen kaum schneller als 5o km/h fahren kann. Wir wurden auch nicht enttäuscht – die Route war einfach wunderschön: Erst durch das Tamar Tal, die Grenze zwischen Cornwall und Devon, nach Tavistock – ein malerisches altes Städtchen, das verdient hätte, genauer besichtigt zu werden – aber wir wollten ja noch weiter.
Dann öffnete sich das Dartmoor, und die Landschaft im Sommerlicht war überwältigend! Karge Moorflächen, übersät von riesigen Felsbrocken und archaischen Tors, dazwischen Schafe, immer wieder wilde Ponys, auch eine kleine zottelige Rinderherde lief uns über den Weg.
Enge alte Steinbrücken, strohgedeckte Häuser, kleine Bäche – und all das im Sonnenlicht eines perfekten Frühsommertages.
Nach dem Moor kam Exeter – die Besichtigung der Kathedrale fiel allerdings unserem Zeitplan zum Opfer, wir hatten noch weitere Besichtigungsziele auf unserem Zettel.
Zuerst Killerton, nicht weit hinter Exeter. Eigentlich waren wir etwas unschlüssig, denn das Haus schien relativ unspektakulär, – aber als wir dort waren, waren wir richtiggehend verzaubert! Ein mediterran anmutendes, wunderbar elegantes Haus – mit Bogenfenstern, um die sich Glyzinien rankten, ein wunderschöner heiterer Garten, ein verträumter Park.
Alles nicht wirklich alt, aus dem 19. Jh, aber einfach schön – da würde man am liebsten gleich selbst einziehen.
Auch das Haus-Innere wirkte, als seien die Bewohner nur gerade mal im Urlaub oder so – kuschelige Sofas, eine kleine Orgel (auf der tatsächlich jemand spielte, die Besucher werden aufgefordert, die vorhandenen Instrumente im Haus zu nutzen), licht-durchflutete Räume, eine gemütliche Bibliothek, in der ich mich am liebsten gleich in einen Sessel gesetzt und gelesen hätte … (leider durfte man innen nicht fotografieren!).
Auf der Weiterfahrt kamen wir durch das winzige Örtchen Bickleigh, dessen alte Brücke jahrzehntelang den Ruf hatte, Pate für Simon&Garfunkels “Bridge over troubled Waters” gestanden zu haben. Die Legende stimmt zwar nicht, aber schön ist die Brücke trotzdem – und die strohgedeckten Häuschen dahinter unglaublich malerisch.
Ein weiteres und wesentlich illusteres Ziel war Knightshayes Court, ein eindrucksvolles Anwesen aus dem 19. Jh. Allerdings ein totaler Kontrast zu Killerton! Zwar waren Garten und Park auch sehr schön, aber das Haus aus meiner Sicht eine einzige Protz-Orgie! Hier wollte jemand (ein Spitzen-Fabrikant aus Honiton) sein Geld zur Schau stellen und hatte sich ein neo-gotisches Haus errichtet, das zwar sehr prunkvoll, aber auch etwas düster und ziemlich überladen wirkt.
Der Park hingegen war wirklich schön!
Nach einem Cream Tea im Hof nahmen wir die letzte Etappe in Angriff: Zuerst über den Motorway, die englische Autobahn, dann über Landstraßen, die wegen des gerade beendeten Glastonbury-Festivals ziemlich voll waren.
Kurz vor halb sechs kamen wir in Wells, im Stoberry House, an. Die Zufahrt führte rund 500 m durch einen weitläufigen Park mit Schafen und eindrucksvollen riesigen alten Bäumen. Der Blick ist gigantisch – im Tal die Kathedrale von Wells, in der Ferne der Glastonbury Tor!
Wir dachten schon, wir seien verkehrt, bis dann das Haus auftauchte, umgeben von einem wunderschönen riesigen Garten.
Unsere Gastgeberin Frances empfing uns bereits im Garten – eine quirlige, temperamentvolle Mittfünfzigerin, der man sofort anmerkte, dass sie es genießt, Gäste zu haben.
Im Haus duftete es verführerisch nach frisch gebackenem Brot und Frances erzählte, dass sie nicht nur das gesamte Brot – und zwar täglich mindestens 4 Sorten – selbst bäckt, sondern auch Joghurt und alle Marmeladen, die es zum Frühstück gibt, hausgemacht sind, ebenso die Müslis. Nach einem Blick in ihre riesige und sehr funktionale Küche führte sie uns auf unser Zimmer. Erneut haben wir eine ziemlich kleine Variante erwischt! Dieses Mal ist sogar das „Bad“ eine Premiere: Lediglich eine Ecke im Zimmer abgeteilt, Dusche, WC, Waschbecken, nur verdeckt von einem weinroten Samtvorhang.
Jetzt wurde mir klar, weshalb das Zimmer so billig war – aber es ist trotzdem hübsch und sehr elegant – und das Haus insgesamt einfach ein Traum!
Das alte Herrenhaus ist geschmackvoll und mit vielen Antiquitäten eingerichtet, Gäste können sich ziemlich frei im Haus bewegen und es gibt für sie sogar eine eigene kleine Küche mit Spülmaschine und ein kleines Wohnzimmer!
Frances überhäufte uns mit Tipps und Hinweisen zu Wells und Umgebung. Derart bestens informiert erkundeten wir die kleinste Stadt Englands mit einer der schönsten Kathedralen und waren sofort hingerissen vom mittelalterlichem Charme!
In Worten kann man das kaum wiedergeben – der im Abendlicht honigfarben leuchtende gelbe Sandstein der Kathedrale mit ihren vielen Skulpturen an der Fassade, der schnuckelige kleine Marktplatz, die alten Häuser im Vicars Close, die seit dem 15. Jh. nahezu unverändert sind – angeblich ist sogar das Kopfsteinpflaster noch von 1468. Und in den alten Reihenhäusern wohnen damals wie heute Kirchenmitarbeiter und Geistliche.
Alles ist überschaubar, wirkt irgendwie gemütlich – trotz der riesigen Kathedrale.
Auch das Inn, in dem wir aßen, hatte was Gemütliches – wie ein holzgetäfeltes Wohnzimmer, und das Essen war prima! Zurück im Stoberry House stibitzte ich noch etwas von den Sauternes unserer Gastgeber – den Begriff kannte ich nur aus Romanen, jetzt weiß ich, dass es eine Art sehr süßer Sherry ist – nicht wirklich mein Geschmack!
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