Gestern Abend wurde es noch ziemlich spät: Als ich mit dem Netbook runter in die Bar/Lounge ging, um den Beitrag online zu stellen und Mails zu checken, saß dort eine Frau, die ebenfalls ein Netbook vor und ein Glas Whisky neben sich hatte.
Wir kamen ins Gespräch, und es stellte sich heraus, dass Susan zwar aus Glasgow stammt, aber schon seit über 30 Jahren in Ramstein lebt.
Die Welt ist wirklich ein Dorf!
Schon am Vormittag hatte ich mich im Souvenirshop am Queens View mit dem Inhaber unterhalten – und der erzählte, dass seine Schwester in Neustadt an der Weinstraße wohnt. Also quasi eine Nachbarin von uns …
Jedenfalls quatschten Susan und ich noch eine ganze Weile, sie gab mir Tipps zur Auswahl eines Schlummer-Whiskys, und bis ich dann letztlich die Blog-Beiträge online hatte, die Mails gecheckt und beantwortet waren und endlich mit dem Whisky für Dieter rauf ging, war es schon nach 23:00 – aber immer noch nicht dunkel!
Und um 4 Uhr war es schon wieder glockenhell – außerdem war der Himmel blau, nur ein paar Wolken, und zarte Nebelschwaden zogen durchs Tal.
“Four seasons in a day” heißt es über das schottische Wetter: Gestern mit 9,5°C fast winterliche Temperaturen, heute Morgen Frühling (15°C), den Mittag verbrachten wir im T-Shirt in der Sonne (bei 20°C), am Abend regnete es dann wieder bei stürmischem, quasi herbstlichem Wind,das Thermometer sank auf 13°C. Und um 21 Uhr kam in Inverness plötzlich wieder die Sonne heraus!
Aber so weit sind wir noch nicht.
Erst mal gab es wieder eines von Alfs Super-Breakfasts – heute mit Rührei und Lachs – dann einen ausführlichen Abschied (hier freundet man sich mit seinen netten Gastgebern richtig an), bevor es auf die A 9 Richtung Inverness ging. Eigentlich wollten wir eine kleine Straße nehmen, aber den Abzweig verpassten wir und dann waren wir erst mal auf der A9 “gefangen”.
Ich mag Schnellstraßen nicht – da kommt man zwar fix von A nach B, bekommt aber wenig von der Landschaft mit und kann auch nirgends anhalten bzw. nur an ausgewiesenen Parkplätzen.
Trotzdem war auch von der Schnellstraße aus die Landschaft unglaublich schön. Zunächst fast lieblich – saftig-grüne Wiesen, kleine Baumgruppen, Hecken – ganz im Hintergrund kamen erst die Berge. Dann stieg die Straße fast unmerklich immer höher, die Landschaft veränderte sich –zuerst immer dichter werdende Wälder, dann nur noch kahle Hügel, die mit bräunlichen Flecken übersät waren: Heidekraut, das im Herbst die Highlands mit einem lila-roten Teppich überzieht, jetzt sah es allerdings eher trübe aus.
Nach ca. 50 km waren wir in Kingussie, im Tal des Spey-Flusses.
Hier ist es wieder sanft und grün. Und wieder gerieten wir in eine Art Radrennen, das “Scotish Bikeathon”. Dieses Mal kamen uns die Radler entgegen – Dutzende von Gruppen jeden Alters, vom Kleinkind auf dem Kinderrad bis zu ziemlich “reifen” Semestern.
Erst als wir den Spey überquerten und zu den Ruthven Barracks abbogen, war die Straße wieder frei.
Die Ruthven Barracks, eine Kaserne, 1715 errichtet, um die Jakobiten in Schach zu halten, thronen an strategisch günstiger Stelle auf einem Hügel am Spey.
Inzwischen waren wir auf einer kleinen einspurigen Nebenstraße, wo es für den Gegenverkehr regelmäßig rechts und links Ausweich-Plätze gibt (“single road with passing places”). Die Straße schlängelt sich durch lichte Birkenwälder, immer wieder von Heide unterbrochen.
Am Straßenrand blühten Lupinen in allen Farben, knallgelber Ginster, dazwischen die weißen Birkenstämme, aber auch Kiefern und andere Nadelbäume.
Wir nahmen eine kleine Stichstraße zum Loch An Eilean, einem Moor-See, in dem eine kleine Burg steht. Als die Burg im 14. Jh. erbaut worden war, gab es einen Damm zwischen Ufer und Burg, heute gibt es keinen Zugang mehr.
Etwa eine Stunde lang wanderten wir an dem ruhigen See entlang, genossen die Stille, den Duft der Pinien, die Szenerie.
Dann ging es weiter über Aviemore nach Carrbridge, wo eine uralte steinerne Bogenbrücke, die Sluggan Bridge, den kleinen Fluss Dulnain überspannt. Obwohl sie stark beschädigt ist und nicht sonderlich stabil wirkt, kletterten nicht nur etliche Kinder auf ihr herum, auch Dieter musste unbedingt drüber!
Weiter ging es durchs Hochland – kilometerweit auf einer Art Hochebene, Heidekraut links und rechts, in der Ferne die Berge, man hatte fast das Gefühl, den Himmel greifen zu können – bis es in Küstennähe wieder nach unten ging und die Landschaft grüner wurde.
Unser letzter Stopp vor Inverness: Castle Cawdor – untrennbar verbunden mit Shakespeares Macbeth, König Duncan soll dort ermordet worden sein.
Uns interessierte weniger die finstere Vergangenheit des Schlosses als erst mal die dortige Teestube (Scones mit Clotted Cream und Erdbeermarmelade!!!) und dann der Garten. Oder eher “die Gärten” – neben einem Blumen-, einem Nutz- und einem wilden Garten gab es auch den “Walled Garden”, den Paradise Garden, ein Labyrinth und einen sehr formellen Garten.
Wenn meine Kamera Blumen sieht, ist sie kaum zu bremsen – deshalb hier eine kleine Auswahl:
Auch Kunst gab es im Schlossgarten:
Wir waren nur noch wenige Kilometer von Inverness entfernt, es war noch nicht so spät – also entschlossen wir uns, Fort George, eine Festung der Engländer aus dem 18.Jh.direkt am Meer, anzusehen. Eigentlich wollte ich nach Culloden, dem Schlachtfeld, auf dem Mitte des 18.Jh. 10.000ende Schotten von den Engländern praktisch hingerichtet wurden – aber beides ging nicht und alles, was am Meer liegt, hat bei Dieter absolute Priorität.
Aus etlichen Büchern über die schottischen Kriege wusste ich, was sich in der Festung alles abgespielt hatte und dass tausende Schotten von den Engländern dort gefangen gehalten, gefoltert und auch ermordet worden waren. Ich war gespannt auf die Anlage – die auch tatsächlich genauso aussah, wie ich mir sie vorgestellt hat: Düster, abweisend und furchteinflößend. Zu diesem Eindruck trug auch der einsetzende Regen bei, der das Ganze noch düsterer aussehen ließ.
Leider konnten wir nicht mehr hinein, es war zu spät, also blieben uns nur die Eindrücke in strömenden Regen.
Bis wir bei unserer Unterkunft in Inverness, Heathcote B&B angekommen waren, hatte der Regen wieder aufgehört, und als wir nach dem Essen im “Waters Edge” (schon wieder suuuper-lecker: Lamm mit Rosmarinjus und Kräuterpolenta sowie gegrillten Kirschtomaten für mich bzw. Lachs-Trio – heiß geräuchert, pochiert und gegrillt – mit wilden Pilzen für Dieter) heim gingen, kam die Sonne strahlend hell hinter den dunklen Wolken hervor.
Ein toller Abschluss eines schönen Tages- und eine gute Nacht in einem sehr komfortablen Bett.
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