5. März – Windy Indie

P1040084Erneut stürmte es heftig am Morgen, die Bäume bogen sich förmlich.

Hywel nannte es “A nice South-Easterly”, der um diese Jahreszeit öfter blase und ziemlich kühl sei. So lange er die ebenfalls wieder aufgetretenen Wolken vertreibt, soll’s uns recht sein.

Unsere heutigen Tischnachbarn waren Briten, die 14 Jahre lang mit der britischen Army in Deutschland stationiert waren. Ihre Sprachkenntnisse waren zwar ziemlich eingerostet, sie freuten sich aber über die Gelegenheit, sie mal wieder ausprobieren zu können.

Zur Zeit sind sie mit dem Wohnmobil unterwegs – wie viele Reisende in Australien.

Für uns wäre das keine Alternative: Die Miete für die Dinger ist etwa drei Mal hoch wie für einen PkW, sie fressen eine Menge Sprit und man darf keineswegs überall einfach wild campen, sondern muss meist einen Campingplatz aufsuchen. Dort wird dann noch eine Stellplatzmiete fällig … Und um saubere Laken für’s Bett und frische Handtücher muss man sich ebenfalls selbst kümmern.

Nee – da hab ich lieber abends immer ein Bett mit frischer Wäsche, und man lernt (siehe oben) immer wieder nette neue Leute kennen.

Heute wollten/mussten wir nach Süden, wenn wir die Region in beide Richtungen wenigstens ein bisschen kennenlernen wollten. Schon nach einem Tag war uns klar, dass zwei Tage einfach zu wenig für diese traumhafte Gegend sind – aber wir hatten das Ganze ja mit sehr heißer Nadel gestrickt und mangels Vorbereitung keine wirkliche Ahnung gehabt, was uns erwarten würde.

Kaum waren wir losgefahren, kam ein Road-Train von rechts…

Diese Riesengefährte – hier ein 12-Achser, es gibt aber auch noch längere – sind endlos lang, beim Überholen muss man entsprechend vorsichtig und vorausschauend fahren, denn man braucht ziemlich viel Zeit, bis man vorbei ist.

Sympathischer waren uns da schon die vielen Grasbäume mit ihren wuscheligen Köpfen. Manchmal sind sich ziemlich hoch, oft aber nur maximal 1-2 m. Sie gehören zu den ältesten Gewächsen Australiens.

Wir wollten die Strecke von unten nach oben aufrollen, fuhren also erst mal zügig nach Süden, Richtung Augusta.

Einen kleinen Abstecher machten wir aber doch – zur Hamelin Bay. Dort sollen regelmäßig freundliche Stachelrochen direkt an den Strand kommen und sich füttern lassen. Schneeweiße Sandwege führen vom Parkplatz zum Strand.

Die kläglichen Reste eines alten Piers stehen malerisch im Sand …

Leider trieb sich eine französische Großfamilie am Strand herum, deren Kinder mit lautem Geschrei und Geplantsche Jagd auf die Tiere machten und sie ziemlich schnell und ziemlich erfolgreich vertrieben. Wir konnten nur noch die Rücken der davoneilenden Rochen sehen …


Da kann man schon mal leichte Zweifel an der lockeren französischen Kindererziehung bekommen – zumal überall Schilder herumstehen, in denen eindringlich gebeten wird, die Tiere weder anzufassen noch sonstwie zu belästigen und ihnen nicht zu nahe zu kommen.

Wir verkrümelten uns deshalb weiter nach Süden, Richtung Leuchtturm, dem süd-westlichsten in Australien. 1895 aus lokalem Kalkstein erbaut, markiert das Cape Leeuwin Lighthouse die Grenze zwischen dem Indischen und dem Southern Ocean.

So richtig nah kommt man nicht ran, ohne Eintritt zu zahlen – wir betrachten ihn erst mal aus der Distanz.


Felsen im Norden, der Indische Ozean toste, der Wind war heftig und die Wellen hoch. The Indie is windy!



Aber im Süden war es jetzt auch nicht sooo viel ruhiger – es gab lediglich mehr Sand als Felsen.

Ok – es gab viiiiel mehr Sand, es gab türkisfarbenes Meer, idyllische kleine Buchten, glasklares Wasser…


Auf dem Rückweg unternahmen wir nochmal einen Versuch, die Rochen am Hamelin Beach zu treffen – aber jetzt war Flut, offenbar wieder schlechte Voraussetzungen.

Aber es war wunderschön, wir waren völlig allein und wanderten den Strand entlang – bis wir plötzlich merkten, dass die Flut dabei war, uns den Rückweg zwischen den Felsen abzuschneiden.

Die Felsformationen dort waren echt beeindruckend.

Der Heimweg führte durch den Boranup Forest, einen Wald voller Karri-Bäume, die bis zu 90m hoch werden können. Es hat was fast kathedralisches – die hohen schlanken Stämme, die ständig ihre Rinde abwerfen und fast weiß schimmern, wirken wie Säulen, das Blätterdach wie eine Kuppel…


Selbst die gefallenen Riesen haben noch eine gewisse Würde …

Und auch andere Bäume kreieren schöne Laub-Tunnels.

Hier wächst eine Menge – auch Olivenhaine gibt es überall. Die silbergrauen Bäume mit den grünen Früchten bilden einen reizvollen Kontrast zur roten Erde und dem tiefblauen Himmel.

Oliven und Wein … man kann nicht in einer solchen Gegend gewesen sein, ohne zumindest ein Weingut besucht zu haben (vor allem dann, wenn man aus einer Weinbaugegend stammt!) Beim “Voyager Estate” bogen wir ein – der Name erinnerte uns allerdings eher an Raumfahrt als an Weinbau.

Hochherrschaftlich ist noch untertrieben – hier ging es fürstlich zu! Imposante Einfahrt, Rosen vor jeder Reihe von Weinreben …


… ein top-gepflegter Park …


… aber auch fantastische Weine! Vier Weinsorten konnte man kostenlos probieren – ich konnte nicht widerstehen. Zwei wunderbare Weißweine – ein Sauvignon Blanc Semillon, fruchtig, trocken, leicht, der ideale Sommerwein, danach ein Chardonnay, sehr aromatisch. Dann die Roten: Ein Shiraz, den ich zunächst nicht probieren wollte, weil ich Shiraz eigentlich nicht mag – schmeckt oft wie “Trink-Marmelade”, zu dick, zu mächtig … aber der hier war wunderbar – trocken, intensiver Beerengeschmack, aber überhaupt nicht aufdringlich.

Und zum Schluss noch ein Cabernet Sauvignon Merlot von 35 Jahre alten Rebstöcken – ein absoluter Top-Wein! Mit den Mitarbeitern entspann sich ein interessantes Gespräch über deutsche Vollernter in der Pfalz versus Hand-Ernte hier, neuen Wein kennt man hier gar nicht, geerntet wird hier oft nachts, weil die Tage zu heiß sind.

Apropos Temperaturen – wir haben derzeit sehr angenehme 24-27°C, allerdings ist es fast durchgehend recht windig – und abends wird es empfindlich kühl. Aber der Tag war noch nicht vorbei …

Zurück in unserem Vintners Retreat hatten wir es uns gerade bei einem Tässchen Tee und ein paar Keksen gemütlich gemacht, als Hywel rief “Kangaroo in the front garden!!!”  Gestern hatte er erzählt, dass öfter mal Kängurus im Garten herumhüpfen – ich hatte ihm unterstellt, dass da wohl ein gewisses Quantum australischer Rotwein eine Rolle spiele (es gibt einen australischen Rotwein mit einem Känguru auf dem Etikett). Jetzt wollte Hywel uns beweisen, dass man auch stocknüchtern Kängurus im Garten sehen kann…

Tja – und da war der Johnny (so nennen die Aussis männliche Jungtiere):


Er futterte seelenruhig die Brotstücke, die ihm Hywel hinwarf und hüpfte dann wieder gemächlich von dannen.

Jetzt glauben wir langsam wirklich, dass wir in Australien sind!

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