Heute hatten wir die bislang längste Strecke vor uns, rund 500 km, bis Esperance. Deshalb wollten wir früh los – die Rezeption war aber erst ab 10 Uhr besetzt!
Dummerweise hatten wir das erst gestern Abend festgestellt, sonst hätten wir die Abreise-Formalitäten gestern schon erledigen und einfach den Schlüssel einwerfen können.
So konnten wir zwar länger schlafen – aber kurz vor halb zehn war doch alles gepackt, im Auto und wir startbereit.
Ich lief mal zur Rezeption – und Hurra!, die Tür war offen, aber weit und breit niemand zu sehen. Als wir wenige Minuten später nochmal nachschauten, kam die Rezeptionistin um die Ecke. Das Auschecken verlief genauso schnell wie der Check-In – kurze Frage, ob für die Bezahlung die selbe Kreditkarte genutzt werden soll wie für die Buchung und Entgegennahme der Schlüssel … fertig! Die Dame erkundigte sich noch nach unserem nächsten Ziel und meinte dazu “That’s a loooong drive! And booooring!!“ Die Straße ginge immer geradeaus und es gebe nichts zu sehen …
Naja – das stimmte vielleicht für die, die hier zu Hause sind und alles schon kennen, für uns war die Fahrt durchaus nicht langweilig! Außerdem hatten wir gleich am Anfang noch einen Umweg eingebaut – eigentlich wollten wir gestern zur Stirling Range, das Wetter hatte das jedoch verhindert. Da die Range jedoch mehr der weniger in unserer heutigen Richtung lag, beschlossen wir, durch zu fahren. Nach einer halben Stunde sahen wir die Bergkette bereits aus der Ferne.
Kurze Zeit später waren wir am Eingang des Nationalparks. Wir hatten beschlossen, wenigstens zum Bluff Knoll,einem ca. 1.100 m hohen Berg, hoch zu fahren, von dort sollte man grandiose Ausblicke haben. Allerdings kostete der Park Eintritt – AUD 12 pro PkW. 50% Ermäßigung gab es für Senioren – und obwohl wir vermuteten, dass das nur für Australier gilt, nahmen wir sie für uns in Anspruch – es stand ja nirgends konkret 😉
Bezahlt wird, indem man den korrekten Betrag in einen kleinen Umschlag steckt, seinen Namen und das Kennzeichen des Fahrzeugs drauf schreibt und das Ganze dann in eine Metallsäule einwirft. Vorher muss man noch einen Teil des Umschlags abtrennen, dieser Durchschlag dient als Nachweis, dass gezahlt wurde.
Bis zum Parkplatz waren es 16 km, stetig bergan – und die Aussicht von dort war wirklich grandios! Über uns der knollige Gipfel, zu unseren Füßen Teile der Range und ein fast unendlich weiter Blick ins Land.
Es war ruhig und einfach wunderschön dort oben, die Luft klar und frisch (ca. 22°C). Dennoch mussten wir uns losreißen und weiter fahren. Zurück auf dem Highway warnte ein Schild vor Roadtrains, den Lastzügen, die bis zu 36,5 m lang sein können.
Wenn einem so ein Monster entgegen kommt, drückt der Luftdruck das Fahrzeug förmlich zur Seite, man muss also auch beim Überholen ziemlich vorsichtig sein.
Hier habe ich so ein Riesending mal durch die Windschutzscheibe erwischt – die Bildqualität ist miserabel, aber man bekommt doch einen Eindruck von der Größe.
Kurz nach der Stirling Range gelangten wir in die Goldfields. Das Gold liegt hier allerdings nicht unter, sondern über der Erde – es sind fast unendliche Getreidefelder, derzeit allerdings nur noch Stoppelfelder. Der Anblick muss fantastisch sein, wenn im Frühjahr alles grün bzw. kurz vor der Ernte alles golden ist – jetzt ist es eher bräunlich.
Bis zum Horizont und weiter erstreckten sich die Felder – und wenn nicht ab und zu mal ein Briefkasten an der Straße stehen und ein staubiger Feldweg abzweigen würde, könnte man meine, es gebe keine Menschen hier, nur Felder. Sehen tut man keine Farm, kein Haus …
Mehr als eine Stunde fuhren wir ununterbrochen an Stoppelfeldern entlang. In Ravensthorpe, etwa auf halber Strecke, legten wir eine Pause ein. Der winzige Ort lag ausgestorben in der Mittagssonne. Ein Blick ins Pub des Palace Hotels – dort herrschte jedoch eine solche Düsternis und bierdunst-geschwängerte Tristesse, dass wir schleunigst umkehrten und stattdessen an der Tankstelle Kaffee und ein Eis kauften.
Beides schwere Fehler – der Kaffee war abscheulich, das Eis halb aufgetaut und schmeckte derart künstlich und widerlich süß, dass meines halb gegessen im Abfalleimer landete.
Die Landschaft wurde allmählich abwechslungsreicher. Zwar gab es weiterhin Felder, immer häufiger jedoch auch lichte Wälder. Vor allem Red Gums wachsen hier – eine Eukalyptus-Art, die ebenfalls die Rinde abwirft und dann teracotta-farbenes Holz zeigt. Ihr Harz ist blutrot – Antje hatte uns erzählt, dass sie beim Bau ihres Hauses einen Red Gum fällen mussten und hinterher aussahen, als hätte es ein Blutbad gegeben.
Allmählich machte sich auch zunehmend mehr Bush breit. Bush wird hier alles genannt, was kein Wald ist – und die Bezeichnung ist absolut zutreffend, denn es sind wirklich Büsche, große und kleine, stachelige, blühende, darunter oft eine Art Heidekraut. Bald dehnte sich der Busch beidseits der Straße bis zum Horizont aus. Und im Bush herrscht eine Menge Leben. Uns hoppelte allerdings nur mal ein Känguru kurz vor dem Auto über die Straße, und einmal räkelte sich eine Schlange auf dem warmen Asphalt. Da die Schlangen hierzulande alle extrem giftig sind und ein Biss tödlich enden kann, waren wir nicht unfroh, dass wir ihr nicht näher gekommen waren.
Mittlerweile hatte ich während der Fahrt auch ein Phänomen entdeckt, das endlich eine Erklärung dafür lieferte, weshalb wir uns anfangs so oft verfahren hatten, wenn die Wegweiser mal ausblieben oder unklar waren!!
Wie sonst auch, hatte ich dann nämlich immer versucht, mich an der Sonne zu orientieren. Das klappte bisher auf allen Reisen ziemlich zuverlässig – nur hier schien es nicht zu funktionieren. Auf der Strecke von Perth in den Süden ließ ich Dieter mehrfach umdrehen, weil die Sonne um die Mittagszeit hinter uns stand, statt vor uns im Süden. Heute fuhren wir direkt nach Osten, also hätte Dieter, der rechts saß (hier herrscht Linksverkehr, der Fahrer sitzt also rechts), ständig in der Sonne sitzen müssen. Stattdessen wurde jedoch ich gebraten (was natürlich erheblich besser war).
Da wir dieses Mal mit 100%iger Sicherheit richtig fuhren, musste es dafür einen anderen Grund geben.
Und (erst) jetzt wurde mir endlich klar, was los war – da wir uns auf der Südhalbkugel befinden, steht die Sonne Mittags nicht im Süden, sondern im Norden!!!
Warum ich derart lange gebraucht hatte, um das zu entdecken (und weshalb mir das nicht schon bei unserer ersten Australien-Reise aufgefallen war), weiß ich wirklich nicht – liegt ja schließlich auf der Hand: Wenn die Sonne am Äquator Mittags im Zenit steht und auf der Nordhalbkugel dementsprechend südlich, kann sie auf der Südhalbkugel unmöglich in der selben Himmelsrichtung stehen …
Von nun an klappte es jedenfalls mit der Navigation! Gegen vier Uhr kamen wir in Esperance an – und waren erst mal maßlos enttäuscht. Am gesamten Ufer, entlang der Esplanade, steht über eine Strecke von rund einem Kilometer ein Bauzaun, davor ist bis zum Meer eine Riesenbaustelle. Und auch unser Motel ist nicht gerade ein Highlight…
Allerdings hat Esperance ohnehin nicht viele Unterkünfte zu bieten, richtig schöne schon gar nicht, und so kurzfristig, wie wir gebucht hatten, war erst recht nicht mehr viel zu haben. Zudem gibt es außerhalb der Großstädte so gut wie keine Hotels, sondern lediglich Motels, Ferienapartments und/oder Bed&Breakfast-Pensionen. Und schließlich sind die Unterkünfte auf australischen Geschmack zugeschnitten – und da scheint es immens wichtig zu sein, dass das Auto direkt vor der Zimmertür steht (Motels sind meist ein-, ab und zu mal zweistöckig und die Parkplätze liegen in der Regel direkt vor den Zimmern).
Außerdem legen Australier viel Wert auf Whirlpools, die hier “Spa Bath” heißen und die ich absolut nicht ausstehen kann. Meist sind es verkratzte Acryl-Wannen von zweifelhafter Sauberkeit. Wir passen deshalb immer sehr auf, dass wir Zimmer mit “Walk-In Shower” buchen. Letzteres hatte das Best Western Esperance, ansonsten war es allerdings nichts besonderes. Und die Zimmertür öffnet sich tatsächlich direkt zum Parkplatz, unser Auto steht nur ein paar Meter vom Bett entfernt…
Aber wir wollten uns ja auch nicht viel im Zimmer aufhalten, sondern die Gegend erkunden. Die Tourist Information war zu (es war ja schließlich Sonntag), also musste der Stadtplan des Hotels ausreichen. Ein erkennbares Zentrum hat Esperance nicht, jedenfalls war alles schnell erkundet. Immerhin gibt es einen hübschen Pier und dort auch ein nettes Lokal mit einer umlaufenden Veranda, wo man gemütlich sitzen und einen Drink nehmen konnte.
Ein junger Mann mit Gitarre machte Musik, es war alles sehr entspannt und nachdem wir auch noch einen Hochzeitsempfang – oder so was ähnliches – beobachten konnten (man beachte die elegante Fußbekleidung der Herren!), fanden wir Esperance irgendwie doch ganz nett …
Als wir dann sogar noch ein richtig nettes Lokal mit gutem und erstaunlich preiswertem Essen fanden – saftig-zarte Lammkoteletts sowie Fish’n Chips, und was da oben drüber garniert ist, sind Erbsensprossen, schmeckt so gut, dass wir das auch mal daheim ausprobieren wollen – waren wir mit unserem neuen Ziel endgültig versöhnt.
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