Düster sah es morgens aus, dicke Wolken am Himmel – aber heiß … sehr heiß!
Ein heftiger Wind blies den feinen roten Staub in alle Ritzen und ins Auto, als wir unsere Sachen einluden. 32° zeigte das Auto-Thermometer an, obwohl die Sonne sich rar machte.
Wir durchquerten den Wheatbelt, die Stoppelfelder trotzen der düsteren Atmosphäre etwas Farbe ab.
Weil wir früh dran waren, beschlossen wir, durchs Avon Valley zu fahren. Statt der grünen Lieblichkeit des gleichnamigen Pendants in England erwartete uns jedoch hier ein nahezu ausgetrockneter Fluss und vertrocknete Wiesen. Nach längeren Regenfällen, wenn hier alles grün ist, ist es jedoch sicher zauberhaft!
In Beverley machten wir Halt. Ein paar alte Gebäude, eine hübsche Post und ein imposantes Rathaus …
… alles pflegeleicht in einer Straße zusammengefasst. Viel mehr gab es nicht zu sehen, obwohl das Örtchen durchaus nett ist.
Interessanter und charmanter war York – zwar nicht so beeindruckend wie die britische Namensschwester, aber hier gibt es doch etliche sehr schöne alte Gebäude.
Begeistert war ich von einem winzigen Süßwarenladen – als ich durchs Schaufenster reinschaute, ging die Tür auf, eine zierliche alte Dame kam heraus und bat mich, doch rein zu kommen. Es war wie eine Zeitreise – Bonbons in großen Gläsern, altmodische Süßigkeiten, wohin man schaute.
10 Minuten und ein nettes Gespräch später verließ ich den Kindertraum mit einer Tüte Lakritzbonbons in der Tasche!
Dann sahen wir zu, dass wir an die Küste kamen, denn wir fürchteten, um Perth in den Freitagnachmittag-Berufsverkehr zu kommen. Dem entgingen wir auch leider nicht – dichter Verkehr, gepaart mit jeder Menge Baustellen, machten das Vorankommen schwierig. Zwar verfuhren wir uns ausnahmsweise nicht, aber wegen der vielen Staus war es doch schon nach 16 Uhr, als wir schließlich vor dem Arundel Boutique Bed&Breakfast in Fremantle ankamen. Bei Tripadvisor und Booking.com hoch gelobt, hofften wir, etwas ähnliches vorzufinden wie in Margaret River.
Vor dem Haus suchten wir zunächst vergeblich nach einem Eingang. An der Tür hing ein Schild, das auf ein Büro im Hof hinter dem Haus verwies, das bis 17 Uhr geöffnet sei. An der Bürotür im Hof hing jedoch ein “Closed” –Schild und der Hinweis, dass die Bürozeit um 16 Uhr endet sowie eine Telefonnummer. Jetzt war guter Rat teuer, denn das Handy steckte im Koffer und war möglicherweise gar nicht geladen, weil wir es bisher nie gebraucht hatten …
Wir klopften ohne große Hoffnung an der Tür – und siehe da, eine ziemlich resolute Dame öffnete und erklärte, dass sie eigentlich Feierabend habe. Der Hinweis auf die völlig anderen Zeiten an der Vordertür brachten sie dann aber zu der Einsicht, dass es doch besser sei, sich um uns zu kümmern, und nach einigem Hin und Her erledigte sie die Formalitäten. Schlüssel gab es keinen, der Zugang sowohl ins Haus als auch zum Zimmer erfolgte über einen Zahlencode. Eigentlich ganz praktisch, denn so kann man schon mal keinen Schlüssel verlieren.
Während Dieter das Auto holte und im Hof parkte, machte die Lady mich mit der Funktion des Codepads bekannt, nannte die Zimmernummer und verzog sich dann wieder in ihr Büro. Alles machte zunächst einen netten Eindruck, very british, pikfein renoviert, sehr gepflegt.
Auch das Zimmer war auf den ersten Blick recht hübsch, nicht gerade riesig, aber ausreichend.
Was etwas irritierte, war, dass es im Zimmer stockfinster war – da hatten die lichtscheuen Australier offenbar mal wieder die Verdunklungs-Vorhänge vorgezogen … dachten wir. Aber am Fenster waren keine Vorhänge zugezogen – und jetzt bemerkten wir auch, dass das Fenster überhaupt nicht ins Freie ging, sondern in einen anderen Raum!
Auf der anderen Seite des Fensters war so eine Art Aufenthalts- und Frühstücksraum – und damit niemand in unser Zimmer reinschauen konnte, hatte man auch noch ein Bücherregal vor’s Fenster gestellt!!!!
Weil zudem nur 1m vor dem Regal eine Wand war, konnte praktisch kein Lichtstrahl ins Zimmer fallen. Mir war auf der Stelle klar, dass wir in diesem Zimmer auf gar keinen Fall bleiben würden! Klimaanlage hin oder her – ein Zimmer ohne Fenster ist für mich ein Albtraum und absolutes No-Go!!! Morgens will ich den Himmel sehen, wissen, ob die Sonne scheint oder es regnet, keinesfalls würden wir 6 volle Tage in einem Maulwurfs-Bau verbringen!!!!
Also flitzte ich die Treppe wieder runter, in der Hoffnung, dass die Bürolady noch da war. Sie war zwar noch da, hatte aber nur sehr wenig Verständnis für meinen Unmut und versuchte sogar, mir das Zimmer als was besonders Gutes zu verkaufen, weil es darin garantiert nicht heiß werden würde! Da blieb nur noch ein hysterischer Anfall und die Behauptung, ich litte unter Klaustrophobie und bekomme Herzbeschwerden, wenn ich in einem fensterlosen bzw. lichtlosen Raum bleiben müsse. Sie meuterte zwar weiterhin , schien sich jedoch damit abzufinden, dass ich ohne eine Lösung nicht aus dem Büro gehen würde und schaute in ihrem Computer nach Alternativen.
Am Sonntag werde ein Zimmer mit Fenster frei (heute war Donnerstag!!!) – was prompt einen erneuten Anfall bei mir hervorrief bei der Aussicht, drei Tage ohne Licht verbringen zu sollen. Sie grummelte weiter herum und meinte nach endlosem Herumgeklicke auf dem Computer, wir könnten morgen nach 10 Uhr umziehen – allerdings nicht innerhalb des Hauses, sondern in ein Apartment in einem Hochhaus zwei Straßen weiter (wir waren hier bei einer Agentur die diverse Unterkünfte verwaltet und vermittelt – so viel hatte ich inzwischen kapiert!). Frühstück gebe es dort auch nicht.
Es war also zumindest eine Lösung in Sicht – dennoch schauten wir oben im Zimmer erst mal im Internet nach, ob es nicht irgendwas Besseres in Fremantle gibt. Aber der Ort scheint permanent ausgebucht zu sein, die wenigen freien Alternativen waren allesamt nicht sehr attraktiv oder extrem teuer.
Völlig entnervt machten wir uns deshalb erst mal auf, was zu Essen und zu Trinken – in Fremantle gibt es dafür viele gute Adressen, die größte Auswahl hat man aber am Cappuccino Strip. Diese Ecke, italienisch bzw. mediterran geprägt, mit vielen Olivenbäumen, bietet auf wenigen hundert Metern eine unglaubliche Fülle an Restaurants und Cafés, und ist Lebenslust pur.
Ein hausgebrautes Bier beim “Monk”, ein gutes Essen bei “Ginos”, ein Merlot aus Margaret River – schon sah die Welt wieder etwas rosiger aus! Und als wir auf dem Heimweg (die Lage des B&B’s war genial – nur ein paar Schritte zum Cappuccino-Strip!) Musik, Stimmengewirr und Gelächter aus einem fast spanisch anmutenden Hof hörten, kehrten wir dort noch auf einen Absacker ein …
Und danach hofften wir einfach, dass sich morgen was ergeben würde …
Das ist ja gruselig! Ich bin sehr auf die Fortsetzung dieser Geschichte gespannt und hoffe sehr, dass sich alles schnell und zu Eurer Zufriedenheit geklärt hat. Keine Nacht wäre ich dort geblieben – das ist ja schlimmer als im Knast!