BALSAM FÜR DIE SEELE

01. März
Es gibt Orte, wo man sich auf Anhieb wohl fühlt. Irgendwie angekommen. Daheim. Wo man Energie tanken kann. Die Balsam für die Seele sind.

Es gibt Menschen, die man auf Anhieb mag. Wo sofort ein Draht da ist. Man sich fast wortlos versteht. Egal, wie groß der Erfahrungs-, Herkunfts- oder Altersunterschied ist.

Und manchmal, wenn man viel Glück hat, kommt beides zusammen. Man kommt an einen wunderbaren Ort mit wunderbaren Menschen. Und fühlt sich einfach nur unendlich wohl. So wie wir heute.

Schon wieder trüb. Regnerisch. Düster. Passte zu unserer Stimmung – denn nach den idyllischen Tagen in Kuaotunu fiel der Abschied doch ein bisschen schwer.

Eigentlich wollten wir heute doch noch mal zur Cathedral Cove wandern – der Weg dorthin, hoch oben an der Küste entlang, ist ja schon wunderschön und an so einem Tag sicher auch nicht so voll. Und die Gezeiten wären ideal …

Zuerst wollten wir aber mal die andere Seite von Whitianga anschauen. Das geht entweder, indem man einfach in 5 Minuten mit der kleinen Fähre übersetzt – oder einen gewaltigen Umweg von rund 40 km fährt.

Wenig überraschend heißt der kleine Ort auf der anderen Seite, wo die Fähre ankommt, Ferry Landing. Von hier aus kann man mehr oder weniger regelmäßig mit einem Bus zum Hot Water Beach fahren.

Das ist der Strand, wo man bei Ebbe ein Loch in den Sand buddeln  und sich dann mit dem Hintern in heißes Wasser setzen kann. Zusammen mit mindestens 250 anderen … Der Bus fährt aber auch zum Ausgangspunkt für die Wanderung zur Cathedral Cove.

Beides war für uns aber nicht wirklich interessant – denn wir waren ja mit den eigenen 4 Rädern da.

Ferry Landing und seine Umgebung sind unglaublich malerisch – selbst an einem so düsteren Tag wie heute. Steile Kreideklippen und Wasser, das an einem Sonnentag sicher karibik-türkis gewesen wäre.




Ein Kap mit dem merkwürdigen Namen „Shakespeare Cliff“ machte uns neugierig – ein toller, aber kurzer Blick auf die Küste, dann begann es in Strömen zu gießen.

Das war’s dann – Cathedral Cove war abgehakt, wir machten uns auf den Weg an die Westküste. Hier wollten wir die letzte Nacht auf der Coromandel verbringen.

Die eigentlich traumhaft schöne Strecke über die Berge nach Coromandel Town wurde durch die heftigen Regenfälle ziemlich beeinträchtigt. Viel sehen konnte man nicht – dabei ist die kurvenreiche Ostküstenstraße eine der schönsten Strecken auf der Coromandel! Ein paar trockene Sekunden bescherten uns immerhin einen kurzen Blick von oben Richtung Auckland.

Danach war aber nur noch Wasser – rechts im Meer, oben vom Himmel. Da passte es ja auch irgendwie, dass wir heute in den Rapaura Watergardens übernachten wollten.

Per Mail hatte man uns mitgeteilt, dass wir entweder relativ frühzeitig ankommen oder uns für’s Abendessen selbst was mitbringen sollten – das kleine Restaurant schließt, wie auch der Garten, um 17 Uhr. Und zum nächsten Ort, Tapu, ist es ein ganzes Stück.

Wir hatten also Proviant gebunkert, bogen in Tapu von der SH25 ab und waren nach wenigen Kilometern irgendwo im Nirgendwo. Die Gegend hat was traumhaft Verlorenes – ein schmales Tal, fast eine Schlucht. Auf der einen Seite ein klarer, schnell sprudelnder Bach, auf der anderen hohe Felswände. Urwald bedeckt die Hänge. Ab und zu weitet sich das Tal, da sind ein paar kleine Farmen und sogar ein Hotel.

Irgendwann kommt der Abzweig zu den Rapaura Watergardens. Ein Foto von einer kleinen roten Brücke hatte mich vor mehr als einem Jahr dermaßen fasziniert, dass ich da unbedingt hin wollte. Und als sich herausstellt, dass man hier sogar übernachten kann und abends, wenn der Park für das Publikum schließt, quasi völlig allein hier ist, war klar – da will ich, da wollen wir hin! 

Wir fahren vor das kleine Café, ein Holzhaus unter alten Bäumen. Hechten im Regen ins Innere – und alles ist gut. Ein paar Leute sitzen in dem großen, aber urgemütlichen Raum, es duftet herrlich nach Kaffee und Sallys (selbst gebackenen) Kuchen und Scones. Wärme umfängt uns – nicht nur temperaturmäßig, sondern Sally, die Eigentümerin des Ganzen, strahlt sie ganz einfach aus.

Eine minutenkurze Regenpause wird genutzt, um uns unser Cottage zu zeigen und das Gepäck rein zu bringen. Man kann gar nicht anders, als sich hier auf Anhieb wohl zu fühlen – jede Ecke, jeder Winkel wurde mit viel Liebe und Sorgfalt eingerichtet. Fast hat man das Gefühl, in einem Privathaus zu sein, so viele schöne Sachen stehen hier herum.

Eine heimelige holzgetäfelte Wohnküche mit einem kleinen Bullerofen. Ein üppig gefüllter Kühlschrank – und sogar frische Eier in einem kleinen „Käfig“.

Ein gemütliches Wohnzimmer mit bequemem Sofa und Sessel, mit Büchern und Zeitschriften, mit Musik und Spielen. Ein kuscheliges kleines Schlafzimmer. Ein Bad mit Wanne (und Waschmaschine) und ein zweites, kleineres, mit Dusche und WC. Kurz – ein richtige Zuhause …

Aber – kein Fernseher! Und es gibt hier auch weder Handy-Empfang noch Internet. Wer das braucht, muss vor ins Restaurant gehen – und selbst dort ist der Empfang miserabel!
Ich habe noch ein paar Fragen, gehe ins Café und komme ins Gespräch mit Sally. Sie ist schon 80 – aber sprüht vor Leben und Wärme. Geboren in Neuseeland hat sie in großen Weltstädten gelebt – Hongkong, London – und konnte sich nie vorstellen, jemals wieder in das eher kleine Neuseeland zurück zu kehren. Bis sie in diesen Garten kam und sich quasi in ihn verliebte. Die früheren Besitzer konnten ihn aus Altersgründen nicht länger bewirtschaften, sie übernahm ihn.

Zusammen mit ihrem Sohn Sasha bewirtschaftet sie den Garten und die beiden Cottages fast alleine und gibt offen zu, dass es im Grunde ein Zuschussgeschäft ist. Aber „Liebe ist eben unbezahlbar“ meint sie – und sie liebt dieses Fleckchen Erde.

Der Regen hat etwas nachgelassen, wir wandern durch den Park. Lassen uns verzaubern von der ganz eigenen Atmosphäre dieses Orts. Hier ist Kunst mit Natur gemischt, bemooste Skulpturen verstecken sich unter tropfenden Farnen, andere tauchen aus Teichen und Tümpeln auf. Sally erzählt mir später ein paar Geschichten über Kunst und Künstler – man spürt überall, wie sehr sie mit diesem Garten verbunden ist und wie viel Liebe (und Arbeit) hier drin steckt.

Wasser, überall. Es tropft von Blüten …

Es tropft in Seerosenteiche …

Es lässt die Konturen verschwimmen …

Und dann – dann ist da endlich auch die rote Brücke! Deren Foto mich überhaupt erst auf die Rapaura Watergardens gebracht hat!

Gleichzeitig legt der Regen noch ne Schippe drauf – und wir flüchten zurück in die Gemütlichkeit unseres Cottage. Genießen es, mal total offline zu sein, trinken heißen Tee und später kühlen Wein, hören Musik, kochen uns was – und fühlen uns einfach nur wohl. Und unendlich geborgen, während draußen der Regen unaufhörlich fällt.

Sasha bringt uns noch Brot und selbst gemachten Joghurt vorbei, erkundigt sich fürsorglich, ob uns noch was fehlt. Der Regen prasselt auf’s Dach – später schlafen wir tief und fest.

Am Morgen gibt es ein prima Frühstück – Sally hat uns mit Saft und Marmelade, Milch und Joghurt, Brot und Eiern versorgt, diverse Müslis und Getreideflocken gibt es ebenfalls, uns fehlt es an nichts! Allenfalls an Zeit – denn wir haben den riesigen Wassergarten gestern noch nicht mal annähernd gesehen! Gleichzeitig haben wir heute aber eine ziemliche Strecke bis Whangarei vor uns – aber wenigstens zum Wasserfall wollen wir noch gehen.

Wir marschieren los, anfangs begleitet von einer munteren Entenschar.

Es geht wieder über die rote Brücke, es geht vorbei am Seerosenteich, der heute in der Sonne liegt und trotzdem irgendwie verwunschen wirkt..

Es geht ca. 15 Minuten durch einen sachte vor sich hin tropfenden Urwald – dann stehen wir am Wasserfall.

Er ist weder der größte noch der spektakulärste auf dieser Reise – aber auch hier herrscht diese eigentümlich ruhige und entspannte Atmosphäre. Wasser rauscht, Vögel zwitschern – sonst ist es still. Nochmal tief durch atmen – und dann langsam zurück.

Vor der Abfahrt aber noch einen letzten Besuch auf der anderen Seite, wo die Natur mit Kunstwerken durchsetzt ist. Wo rote Kraniche am Teich stehen. Eine Mooshand den Weg weist und ein freundlicher Frosch im Wasser sitzt..

Es wird Zeit für uns – und ein bisschen fühle ich mich, wie aus einem Paradies vertrieben. Einem Ort, wo die Zeit mal ganz kurz still steht. Sally und Sasha verabschieden uns, ich bekomme noch ein Gläschen Marmelade, eine Umarmung und den Wunsch, dass wir etwas von dem Frieden dieses Ortes mitnehmen werden.

So ähnlich steht es auch auf dem Schild am Eingang.

Und damit brechen wir auf, kehren zurück in die Welt. Wo es Handyempfang und Internet gibt, 4-6-spurige Schnellstraßen und Staus. Aber auch in den nächsten Tagen werden wir viele tolle Menschen und Orte kennen lernen. Denn noch ist die Reise nicht zu Ende!

Die gestrige Strecke:

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