Schiffsbauer in Mergui

Myeik, das früher Mergui hieß und dem Archipel seinen Namen gab, war lange Zeit mehr oder weniger abgeschnitten vom restlichen Myanmar. 

Über Land kam man kaum hin, für Ausländer war es ohnehin verbotenes Terrain, durfte nur mit Sondererlaubnis bereist werden. Flüge gab es kaum und nur unzuverlässig und mit dem Schiff war es ein tagelanges Unternehmen.

Die alte Hafen- und Schmugglerstadt mit ihrer sehr bewegten und zum Teil blutigen Vergangenheit ist auch heute nur selten Ziel von Myanmar-Reisenden.

Dabei ist die Anreise heute deutlich einfacher – täglich gehen Flüge von Yangon aus, ein paar Mal pro Woche kommt man auch von Kawthaung und Dawei mit dem Flugzeug nach Myeik. Auch auf der Straße ist es kein Problem, in rund 5 Stunden kommt man von Dawei aus hierher, von Kawthaung dauert es mindestens 8 Stunden und die Strecke ist langweilig, führt rund 300 km fast ausschließlich an Ölpalm-Plantagen entlang.

Wer Myeik/Mergui heutzutage besucht, hat vor allem die Inseln des Archipels im Sinn. Die hatten wir jedoch schon von Kawthaung aus besucht, wir wollten deshalb mal sehen, was die alte Hafenstadt sonst noch zu bieten hat. Manches, wofür Myeik berühmt-berüchtigt ist, sieht man nicht – wie z.B. den lebhaften Schmuggel, der hier floriert. Anderes interessiert Touristen weniger, wie z.B. die drei Universitäten, die die 300.000 Einwohnerstadt aufweist.

Was Myeik aber ebenfalls einen Ruf verschafft hat, ist unbedingt einen Besuch wert – der Schiffsbau! Hier werden die großen Holzboote der Fischer in traditioneller Handarbeit gebaut und auch restauriert, repariert und überholt.

Es gibt zwei große Werften hier – eine ist (tatsächlich oder nur angeblich) off limits für Ausländer, die andere wollen wir gerne besuchen. Zwar könnten wir uns einfach von einem Tuktuk hin bringen lassen – die Verständigung mit den Fahrer ist jedoch fast unmöglich. Deshalb nehmen wir das Angebot des quirligen jungen Hotel-Mitarbeiters Htet gerne an, der uns für 25.000 Kyat (=ca. 14,50€) mit dem Auto nicht nur die Werft zeigen will, sondern auch noch ein Fischerdorf und ein bisschen was von der Stadt selbst.

Am Stadtrand steht ein riesiges Willkommensschild, Htet zwingt uns förmlich, hier ein Foto zumachen. Sowohl auf das Schild als auch auf die neue Brücke im Hintergrund ist man hier ziemlich stolz!

Gleich um die Ecke, eingezwängt zwischen Flussmündung und einem hoch aufragenden Felsen, ist ein kleines Fischerdorf. Hier laufen wir die (einzige) Straße entlang und erregen großes Aufsehen. Westliche Ausländer kommen praktisch nie hierher – wir werden in jedem zweiten Haus eingeladen, einzutreten.

Bei einer Familie bestaune ich die große Zahl von Katzen …

… mit der Folge, dass wir jetzt doch kurz rein müssen, uns auf die beiden einzigen intakten Stühle des Hauses setzen und unzählige Fragen beantworten sollen. Deutschland ist allenfalls den jüngeren überhaupt ein Begriff – und meistens mit Fußball verbunden. Dass ich nur zwei Kinder habe und keine Enkel ruft bei allen Frauen ungläubiges Erstaunen hervor.

Hier sind 8-10 Kinder keine Seltenheit, oft leben mehrere Generationen in einem der winzigen 1-Zimmer-Huschen zusammen. Bei der Katzenfamilie sind es sogar 4 Generationen – die fast 80-jährige Urgroßmutter mit Tochter, Enkelin und mehreren Urenkeln.

Ein paar Häuser weiter erfahren wir von einer Frau, dass ihr Vermieter ihnen gekündigt hat.

Bisher haben sie für ihr 1-Zimmer-Häuschen 30.000 Kyat (= ca. 17€) Miete bezahlt, jetzt überlegen sie, ob sie das Haus kaufen können. 10 Jahresmieten, also rund 3 Mio Kyat (= ca. 1760 €) will der Eigentümer – für uns eine eher geringe Summe, für die Fischer hier fast unbezahlbar.

Es geht vorbei am Schulbus – der muss hier von den Eltern bezahlt werden, weil er zu einer höheren Schule fährt. Ab der 10. Klasse muss außerdem Schulgeld bezahlt werden – auch das fällt vielen Familien sehr schwer.

Wieder einmal stellen wir fest, dass es in Deutschland oder überhaupt im Westen wesentlich einfacher ist, seinen Kinder eine gute Schulbildung zu verschaffen, als hier in SOA. Was wir idyllisch finden – Kinder, die sich mit Flusswasser waschen …

… führt nicht selten zu einer hohen Kindersterblichkeit. Allerdings bessert sich die Lage in letzter Zeit deutlich. Und zumindest diese Jungs machen einen quietschvergnügten Eindruck!

Noch ein Blick in das Warenangebot des örtlichen Kramladens …

… dann geht’s zur Werft. Während Dieter sich auf große und kleine Schiffe in allen Varianten freut wie ein kleiner Junge, verspreche ich mir von so einer Werft nicht wirklich viel. Aber – es wird GANZ GROSSES KINO!!!

Zuerst sind da nur ein paar halbfertige, gerippeartige Konstruktionen. Die sind zwar schon allein wegen ihrer schieren Größe beeindruckend, bemerkenswert ist auch, dass das alles aus Holz ist. Aber ich bin halt mal nicht so der Technik-Freak.

Neben den Neubauten liegen/stehen hier auch eine Menge Schiffe, die repariert oder überholt werden müssen.



Wir sind erstaunt über die Größe dieser Fischerboote, die auch heute noch ausschließlich aus Holz gefertigt werden. Htet redet mit ein paar Arbeitern und kommt völlig aufgeregt angelaufen. In wenigen Minuten können wir etwas sehen, dass selbst Htet noch nie erlebt hat – eines der großen Holzschiffe wird zur Überholung an Land gehievt werden!

Während an Land noch die letzten Vorbereitungen laufen, biegt das riesige Holzschiff schon langsam um die Ecke.

Am Pier wird eine Konstruktion in Gang gesetzt, die langsam auf das Schiff zu rollt und letztlich unter den Rumpf fahren wird bzw. dass Schiff wird auf die Konstruktion fahren, mit der es dann aus dem Wasser gezogen wird.


Die Männer schwimmen bzw. tauchen jetzt unter das Schiff und bringen Holzklötze zur Stabilisierung an – eine nicht ungefährliche Arbeit.


Noch immer gleitet das Schiff langsam mit eigener Kraft vorwärts.

Ein Mann mit Sonnenschirm – vermutlich der Eigentümer – stolziert die ganze Zeit herum und beobachtet das Geschehen genau.


Schließlich kommt der Koloss langsam aus dem Wasser. Die Arbeiter entfernen die Holzklötze wieder.



Jetzt ist kein Wasser mehr unter dem Kiel, das Schiff wird immer höher gezogen, zu dem Platz, wo es später gründlich gereinigt und überholt wird.



Und nötig ist das schon! Mehrer Muschelmahlzeiten kann man sich hier von den Wänden pflücken!

Auch wenn es Dieter und Htet sichtlich schwer fällt – wir müssen auch mal wieder weiter. Und es geht gleich wieder ans Wasser – an die Uferstraße in Myeik, wo ein echtes Gewusel aus Fischer- und sonstigen Booten herrscht, Waren werden verladen und Boote zu den vorgelagerten Inseln legen ab. Wir könnten eines anheuern, gar nicht mal so teuer – aber der Trip würde mindestens 3 Stunden dauern.

Stattdessen schauen wir einfach eine Weile …

Noch etwas will Htet uns zeigen – ein wichtiges Handelsprodukt von Myeik ist der Trockenfisch. Ein ganzes Stadtviertel stellt ihn her, auf jeder verfügbaren freien Fläche wird Fisch getrocknet.

Manches wird einfach nur getrocknet, es werden Fische aber auch kunstvoll zurecht geschnitten und aufgefächert, so dass sie hinterher wie Blüten aussehen. Dieses Produkt geht vor allem nach China. Wir schauen einer jungen Frau zu, die aus einem Fisch blitzschnell eine Blüte macht.


Die getrockneten Blütenfische werden sortiert, gebündelt, verpackt und dann versandt.

So langsam halten wir den durchdringenden Geruch nicht mehr aus – Htet zeigt uns noch eine Pagode mit zahlreichen Buddhas, wo wir sogar vom Abt persönlich empfangen und gesegnet werden.

Dann wird’s Zeit für einen Kaffee – wir halten noch kurz an einer Bäckerei und holen ein bisschen Kuchen, Kaffee gibt es auf dem Zimmer.

Gegen Abend fahren wir mit einem hochmodernen Tuktuk wieder in die Stadt, wir wollen im Dachrestaurant des Jade Palace Hotels essen.

Der Verkehr ist mörderisch hier und die Straßen schlecht – deshalb haben wir heute auch keinen Motorroller gemietet.

Von der Dachterrasse aus hat man den versprochenen Sonnenuntergangsblick – der ist heute allerdings nicht besonders und die Stadt bietet auch keinen sonderlich interessanten Anblick.

Aber der Fisch ist fangfrisch und sehr gut, das Bier kalt – alles in allem ein schöner Tagesabschluss für einen ereignisreichen Tag!

Hier unsere heutige Route – wenn man die Karte im Sateliten-Modus anschaut, kann man die Werft rechts von der Brücke sehr gut erkennen!

Ein Kommentar zu “Schiffsbauer in Mergui

  1. Deine Reportage ist super gut! Die könntest du glatt verkaufen 😉
    Bei unserem nächste Myanmar-Besuch werden wir euch ein weiteres Mal nachreisen.
    Ich warte täglich mit Spannung auf neue Berichte!

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