Mit 15 Jahren hatte ich mich verliebt. Und zwar nachhaltig – eine Liebe, die bis heute anhält!
Damals (1966) gab es einen Schulaustausch mit England und kaum in Shropshire angekommen, war ich hin und weg! Drei seelige Wochen lang ließ ich mich von reetgedeckten Cottages, bunten Gärten, von Herrenhäusern und Burgen, von winzigen Sträßchen und sogar von der englischen Küche verzaubern. Nach drei Wochen mit Pasties und Chips mit Essig, mit Weetabix und Eiern mit Speck zum Frühstück kam ich einige Kilo schwerer und schwer verliebt nach Hause.
Seither zieht es mich immer wieder in dieses Land, dessen Dörfer im Südwesten wie begehbare Bilderbücher wirken und wo die Zeit irgendwie stehen geblieben ist… Und nach einigen Jahren der Abstinenz war es endlich mal wieder soweit! Ein üppiges Frühstück mit richtig gutem Kaffee (was in GB eher eine Seltenheit ist), draußen strahlende Sonne – Südwestengland fing wieder gut an!
Zwar war das Wetter gestern auch recht gut und die Strecke ebenfalls – aber irgendwie waren wir da noch nicht so richtig angekommen. Es fehlten die Spiegeleier am Morgen, der seltsame englische Bacon (der mich immer an dünn geschnittenes Kassler oder Rippchen erinnert), das Gespräch mit der Gastgeberin. Unsere heutige, Ingrid, stammt ursprünglich aus Norwegen, und da die Norweger wirklich kaffeeverrückt sind, hat sie dafür gesorgt, dass es bei ihr keine dünne Plörre, sondern einen kräftigen Aufguss gibt.
Weniger gut ging es dann kurz nach unserer Abfahrt weiter – auf einer der engen Straßen kam uns ein Schwertransport entgegen, der uns eine Weile aufhielt. Auch hatte Google Maps anfangs ein paar Probleme mit unserem Wunsch nach Nebenstraßen – aber bald waren wir im Flow!
Man musste immer mal wieder dem Gegenverkehr ausweichen, auch dem tierischen, oder stehen bleiben, aber wir kamen voran.
Erster Stopp war Dorchester – x-Mal dran vorbei gefahren, jetzt wollten wir mal rein schauen. Ein bisschen enttäuscht waren wir schon – zwar gibt es in der Main Street ein paar wirklich sehenswerte alte Gebäude, aber das ist hierzulande fast in jeder Stadt der Fall.
Stadt ist irgendwie nicht so unser Ding, wenn wir im Königreich unterwegs sind, deshalb ging’s schnell weiter, Richtung Abbotsbury, einem Dörfchen wie aus dem Bilderbuch. Schon der Weg dorthin ist einfach nur schön – durch Wiesen und Felder Richtung Meer.
In der Ferne tauchte ein Turm auf – das Thomas Hardy Memorial. Warum man dem Dichter einen eher hässlichen massiven Turm gewidmet hat, ist mir ein Rätsel, aber er steht zumindest an einem wunderschönen Fleck.
Von hier aus hat man einen weiten Blick übers Land, das Meer immer im Blick.
Über zunehmend schmalere Sträßchen (zum Glück ohne nennenswerten Gegenverkehr) fuhren wir bis Abbotsbury, ein zauberhafter kleiner Ort.
Einst gab es hier ein großes Kloster, übrig geblieben ist davon nicht viel mehr als eine riesige Scheune.
Die weitere Strecke zwischen Abbotsbury und Bridport ist unglaublich schön! Das Meer immer sichtbar zur Linken, von einer Anhöhe hat man einen tollen Blick zurück auf den schmalen vorgelagerten Kieselstreifen “Chesil Beach”, der zwischen Meer und Land eine Lagune entstehen ließ. Hier befindet sich eine königliche Schwanenzucht, die Swannery. Denn eine der Kuriositäten dieses Landes ist, dass sämtliche Schwäne der Queen, bzw. der Krone, gehören.
Dann folgt eine fast völlig gerade Strecke mit freier Sicht auf die Klippen bei Bridport.
Kurzer Zwischenstopp in Bridport am Hafen – hier ist selbst an einem Werktag am Morgen schon einiges los.
Die Briten scheinen irgendwie immer hungrig zu sein … Schon kurz nach dem Frühstück brauchen viele bereits wieder eine Portion Fish ‘n Chips!
Wir verzichten vorerst auf alle kulinarischen Angebote, fahren weiter nach Beer. Der Ort heißt tatsächlich so – und natürlich lädt das zu allerlei Wortspielen ein.
Einen Strand gibt es auch – aber nichts, was uns jetzt irgendwie vom Stuhl reißt. Graue Kiesel, alles irgendwie “very british”.
Aber wir kennen gleich um die Ecke noch eine andere Adresse – Branscombe Beach! Zwar ist der Strand auch dort kieselig, aber wesentlich schöner und es gibt einen Kiosk mit einem wirklich tollen kulinarischen Angebot! Von verführerisch duftenden Pasties und leckersten Sandwiches, aromatischen Suppen, sündhaften Kuchen bis hin zu dem, was wir wirklich wollen …. CREAM TEA!!!! Damit beginnt für uns England erst so richtig. Zwei mürbe Scones, ein Töpfchen sahnige Clotted Cream, ein Schälchen Erdbeermarmelade, dazu Kaffee oder Tee … Dazu noch der Blick aufs azurfarbene Meer!
Und schon sind wir im echt entspannten England-Modus!!!!!
Die Sonne scheint, das Meer ist tiefblau, die Straßen verdienen eigentlich diesen Namen nicht mehr, sind kaum breiter als unser Auto – aber wir lieben genau das!
Leider geht es nicht ganz so locker weiter – unzählige Baustellen und Straßensperrungen zwingen uns immer wieder zu Umwegen. Schließlich erreichen wir Kingswear mit seinem kleinen Bahnhof, der in vielen Rosamunde Pilcher Filmen vorkommt. Hier setzt man mit der Fähre nach Dartmouth über. Egal, wie oft wir die Strecke schon gefahren sind – es ist jedes Mal wieder ein echtes Highlight!
Drüben angekommen schraubt sich die Straße über den Ort in die Höhe, bietet atemberaubende Blicke Richtung Meer. An der engsten Stelle wurde in früheren Zeiten Ketten gespannt, um feindliche Schiffe an der Einfahrt in den Dart River zu hindern.
Erneut sind wir von Umleitungen und Straßensperrungen betroffen – ein Erdrutsch blockiert die Strecke, die wir sonst immer fahren. Die Umleitung führt durch winzige Dörfer mit noch winzigeren Straßen. An einer ganz besonders engen Stellen passiert es – ein entgegenkommendes Fahrzeug rammt unseren Außenspiegel! Es kracht fürchterlich – aber als wir anhalten und nachschauen, ist zum Glück nicht viel passiert, der Spiegel muss nur wieder ausgerichtet werden. Die Dame im anderen Auto hält allerdings einen Teil ihres Spiegels in der Hand, als sie zu uns kommt, Versicherungs- und sonstige Daten werden vorsorglich ausgetauscht, aber es ist letztlich nur eine Bagatelle …
Kurze Zeit später sind wir angekommen – im Higher Beeson House, bei Lynda, die wir schon seit fast 20 Jahren kennen. Ein B&B der Extraklasse auf einer ehemaligen Farm, wunderschöne große Zimmer, behaglich und sehr komfortabel eingerichtet, mit geräumigen Bädern und einem Garten, nein – einem Park, der einfach umwerfend ist und für den man überall sonst sicher Eintritt bezahlen müsste!
Egal, wie schön es hier ist – wir haben Hunger! Und damit ein kleines Problem, denn Corona bedingt kann man momentan oft nicht einfach irgendwo aufkreuzen, sondern muss zwingend einen Tisch reservieren. Lynda empfahl uns, es mal im Church House im Dörfchen Stokenham zu versuchen. Und obwohl es zunächst hieß, “Keine Chance”, da wegen Personalmangel die Küche einfach nur eine bestimmte Anzahl von Mahlzeiten zubereiten könne, drangen meine flehentlichen Bitten (ich behauptete sogar, wir seien direkt von der Fähre hierher gefahren und würden umkommen vor Hunger …) durch und wir bekamen nach 30-minütiger Wartezeit noch einen Tisch. Und nicht nur das – sondern ein wirklich hervorragendes Essen!!!!
Später dann noch ein Gläschen Glenmorangie Whisky als Nachtisch – damit war ein toller erster Tag in England komplett!!!
Der Tag im Video:
Die heutige Strecke:
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