Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben …
In unserem Fall – der Frühstücksservice! Frühstück gab es hier bis 10 Uhr, deshalb ließen wir uns morgens etwas Zeit. Schließlich hatten wir heute keine weite Strecke vor uns.
Aber die Strafe für unsere Trödelei folgte am (quasi nicht vorhandenen) Frühstücksbüffet: Dort dümpelte gerade mal ein Joghurt herum, der Saft war nur noch eine kleine Pfütze, ansonsten war alles schon von Frühaufstehern abgeräumt.
Auf Nachfrage hieß es “The dairyman hasn’t delivered yet”, deshalb kein Joghurt mehr, keine Milch, kein Saft. Immerhin wurde irgendwo noch Brot aufgetrieben, auch ein Ei war noch in der Speisekammer, gebackene Bohnen gab es ebenfalls, Kaffee wurde frisch gekocht – das war’s dann aber auch schon.
Egal – wenn man morgens mit einer Tasse Kaffee in der Sonne sitzen kann, reicht das eigentlich schon fast (und außerdem hab ich in den letzten 3 Wochen garantiert ein paar Kilo zugenommen und ein bisschen Frugalität schadet nicht wirklich!)
Mit Blick auf’s Haus von Sherlock Holmes – wobei ich so meine leisen Zweifel habe, dass es ihn wirklich gegeben und er hier gelebt hat. Arthur Conan Doyle hat seinen Detektiv lediglich literarisch in Sussex in den Ruhestand geschickt und ihn zum Bienenzüchter gemacht. Aber nett ist es trotzdem!
Nach unserem frugalen Frühstück brachen wir auf, Richtung Küste. Die Seven Sisters sind nämlich auch von der anderen Seite aus ein absolut lohnender Anblick.
Damit man sie richtig sehen kann, muss man allerdings ein bisschen klettern bzw. eine Klippe hochlaufen. An den weißen Kreidefelsen knabbern Wind und Wasser ziemlich heftig, jedes Jahr weicht die Küste ein bisschen weiter zurück. Die Klippenränder sind tückisch – sie hängen über und suggerieren festen Boden, wo in Wirklichkeit nur ein bisschen Gras über ziemlich viel Luft ist!
Man sollte deshalb höllisch aufpassen und keinesfalls zu nah an den Klippenrand kommen! Was Dieter da so trieb, ließ meinen Adrenalinspiegel senkrecht in die Höhe schnellen!!!!!
Auch ohne lebensgefährliche Akrobatik gibt es schöne Aussichten …
Vor ein paar Jahren wanderten hier wahre Völkerscharen rauf und runter – ganz überwiegend aus dem asiatischen Raum. Heute war es wunderbar ruhig!
Wenn man ganz oben am Leuchtturm ist, sieht man einen zweiten, unten im Meer – das Beachy Head Lighthouse.
Leider ist der Parkplatz, von dem aus man den Hügel hochgehen kann, gesperrt. Ein Polizeiauto sorgt dafür, dass hier auch wirklich keiner parkt – warum, bleibt unklar. Statt zu Fuß zu gehen, fahren wir deshalb bis zum Beachy Head Car Park und laufen von da aus ein paar hundert Meter zurück bis zum Aussichtspunkt. Von hier sieht man den Leuchtturm aus einer anderen Perspektive, allerdings bei weitem nicht so gut, wie von der anderen Seite.
Wir haben heute reichlich Zeit, deshalb gondeln wir gemütlich durch’s Land und machen einen kleinen Umweg.
Charleston House in Firle ist ein Must See für alle, die die Künstler der Bloomsbury Group schätzen. Das Heim der Malerin Vanessa Bell (Schwester von Virgina Woolf) und ihrem Geliebten, Duncan Grant, war und ist ein Treffpunkt avantgardistischer Künstler. In den 1920er und 30er Jahren versuchte die Gruppe, eine neue Lebensweise zu leben – ohne konventionelle Zwänge, ohne Besitzansprüche, freie Liebe wurde praktiziert und jede nur mögliche Form der Kunst ausprobiert.
Selbst der Garten wurde als “lebendes Gemälde” konzipiert. Was als erstes auffällt – das gesamt Anwesen strahlt eine fast unglaubliche Ruhe und Heiterkeit aus.
Durch eine Pforte in der Mauer gelangt man in den kleinen Vorhof mit Teich.
Der Teich im Eingangsbereich lädt zum Verweilen ein.
Ein paar Schritte weiter – und man steht mitten in einer unglaublichen Blütenpracht! “A living painting” – das trifft es wirklich auf den Punkt!
Wir sind hingerissen – es ist ruhig, nur wenige Besucher sind da. Eine gefühlte Ewigkeit schlendern wir einfach nur herum, genießen die Farbenpracht, die Düfte, die Stimmung. Ich gehe zum Haus, das allerdings momentan nur eingeschränkt zugänglich ist … Corona … Ein eher kleines Haus, unprätentiös, ein echtes Zuhause.
Durch die Fenster kann man einen Blick ins Innere werfen – gemütlich, locker, lässig. Und auf jeder verfügbaren Oberfläche Gemälde.
Durch das Mäuerchen geht es zurück, vorbei an der Bank, auf der in der Vergangenheit sicher etliche tiefgründige Gespräche geführt wurden. Oder auch einfach nur die entspannte Atmosphäre genossen …
Wir entscheiden uns für Genüsse leiblicher Art. Im angeschlossenen kleinen Café mit Kunstgalerie gibt es hausgemachte Limonade und wunderbare Kuchen!
Bestens gestärkt peilen wir unser heutiges Ziel an. In Eastbourne hatten wir über Air BnB ein Zimmer bei Liz und Nick gebucht und einen Volltreffer gelandet! Ein hübsches viktorianisches Fachwerkhaus in einem ruhigen Vorort …
… ein Zimmer, das wirklich absolut keine Wünsche offen lässt …
… und Gastgeber, mit denen wir sofort Freundschaft schließen. Liz und Nick sind schon viel in der Welt herumgekommen, wir sind sofort auf einer Wellenlänge. Sie haben ihr Gästezimmer so eingerichtet, wie sie es selbst gerne auf Reisen haben möchten. Es gibt praktisch nichts, was es nicht gibt – sogar schon fast futuristische Features wie die Einstellung der Duschtemperatur vom Bett aus!
Eastbourne kennen wir noch nicht, deshalb machen wir uns auf zur Strandpromenade.
Ca. 8 km lang ist die Strandpromenade, die auf drei Terrassen oberhalb des Kiesstrandes verläuft. Blickfang sind ein imposanter Pier mit einem großen Vergnügungspavillon und diversen Restaurants sowie ein Riesenrad am Ende der Promenade.
Es ist warm heute, die Strände sind gut besucht.
Auch die Strandbars leiden nicht unter Besuchermangel.
Wir schlendern vor zum Pier und schauen uns die Pracht aus der Nähe an.
Eastbourne hat sicher noch eine Menge mehr zu bieten, das sieht man schon an den opulenten Gebäuden in Strandnähe.
Aber wir sind mittlerweile hungrig und durstig und auf der Suche nach einem netten Lokal, möglichst mit Meerblick, wo man ohne Reservierung etwas zu essen bekommt. Denn das haben wir in den letzten 3 Wochen gelernt – ohne Reservierung geht nur selten was, überall mangelt es an Personal und viele Lokale nehmen nur eine begrenzte Zahl von Gästen an.
Aber wir werden fündig – in einem wirklich netten Terrassenlokal direkt am Strand!
Und genießen unseren vorletzten Abend in England mit einem klassisch britischen Essen bei völlig unbritisch mediterranen Temperaturen!
Kommentare und Meinungen